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Ausverkauf Tricks

Mit dem Ausverkauf ist es ein bisschen wie Homers Sirenen, die Matrosen mit betörendem Gesang anlockten. Die Schaufensterpuppen werden ihrer Kleider entledigt und in rote Tücher gewickelt, Prozentschilder baumeln von der Decke, rote Preisaufkleber verdecken die bisherigen Preise gerade so, dass sie noch zu erkennen sind.

Diesen Reizen werden wir uns hingeben wie die Matrosen den Sirenen. Wir werden das Hemd ergattern, obwohl der Kragen nicht ganz passt, aber der Rabatt war unschlagbar, und es hatte nur noch drei Stück. Wir gönnen uns den vergünstigen Luxusgrill, und die Hose nehmen wir in Gründ und in Blau sicherheitshalber auch.

Geschäfte kaufen für den Ausverkauf extra Ware hinzu

Fast alle Kaufentscheidungen treffen wir unbewusst. Wir sind viel weniger rational, als wir meinen, besonders im Ausverkauf, und der ist ein ausgeklügeltes System. Es gibt verschiedene Käufertypen, die unterschiedlich auf Reize reagieren. Am Ende kann kaum jemand widerstehen. Die einen mögen bei Schuhen oder Elektrogeräten noch standhaft bleiben, aber beim Gourmetolivenöl zum halben Preis werden sie am Ende doch noch schwach.

Den Läden geht es indes längst nicht mehr darum, Ende Saison ihre Ware loszuwerden, um Platz zu schaffen für neue. Mit dem Ausverkauf können sie die immer kleineren Margen über die Menge kompensieren. So gibt es heute nicht nur im Sommer und nach Weihnachten Schnäppchen, sondern öfter auch zwischendurch. Bis vor zwanzig Jahren war dies verboten, inzwischen ist der Ausverkauf ein grosses Geschäft.

Das geht so weit, dass Läden extra für den Ausverkauf neue Ware einkaufen, um sie günstig zu verscherbeln. Während man früher ab Tag zwei des Ausverkaufs nur noch Kleidergrössen für Menschen am Rande des Body-Mass-Index fand, sind es heute, komplette Kollektionen. Damit die Kunden möglichst viel davon kaufen, wenden die Länden allerhand Tricks an - auch dank Erkenntnissen des Neuromarketings. Die Temperatur (idealerweise um die 19 Grad), die Musik (am besten 72 Beats pro Minute), der Geruch (Frauen und Männer geben mehr aus, wenn es dezent nach Vanille beziehungsweise würzig duftet), das richtige Licht (im Ausverkauf greller als zwischendurch) - alle Sinne werden betört, und wir geben uns dem Kaufrausch hin, besonders, wenn es Rabatte gibt.

"Der Ausverkauf ist ein gelerntes Ritual, wir gehen blind davon aus, dass die Waren billiger sind als sonst", sagt der Neuromarketingexperte Björn Held. Wir reagieren auf gelernte Schlüsselreize und schalten auf Autopilot um. Diese Entscheidungshilfen, die Heuristiken, empfinden wir als angenehm.

Ein teurer Ursprungspreis auf dem Schild ist ein Kaufanreiz

Klebt ein roter Aufkleber auf einem Artikel - in manchen Ländern ist er übrigens gelb -, gehen wir automatisch von einem Schnäppchen aus, genau wie bei Multipacks, selbst wenn diese teurer sind als die zusammengezählten Einzelteile. Wir greifen zu beim Hinweis "Aktion", selbst dann, wenn eigentlich "Aktuell" auf dem Schild draufsteht. Wir kaufen heute, weil der Rabatt "nur bis morgen!" gilt; schliesslich wollen wir keinen verpassten Chancen nachtrauen. Bei Wühltischen wühlen wir mit, weil die anderen dasselbe tun, und schliesslich ist da der klassische Ausverkaufstrick, der Vorher/Nachher-Preis: Steht ein teurer Ursprungspreis auf dem Artikel, verkauft er sich automatisch besser.

Die Läden versuchen, unbemerkt Druck aufzubauen, denn unter Zugzwang entscheiden wir uns schneller und schlagen lieber einmal zu viel als einmal zu wenig zu. Und die Händler werden immer raffinierter: Bei Zalando zeigen die Schuhe zum Beispiel mit dem Spitz nach links, weil man herausgefunden hat, dass sie so häufiger angeklickt werden.

Das alles muss jedoch im Gegensatz zu den Matrosen kein böses Ende nehmen. Denn Sparen macht die meisten Menschen glücklich. Allein der Anblick von Rabattschildern reicht aus, um das Belohnungssystem im Hirn zu aktivieren. Das konnte etwa der Neurowissenschaftler Bernd Weber vom Life&Brain Center in Bonn nachweisen. Er schickte seine Probanden mitsamt Videobrille in einen Kernspintomografen und führte ihnen Produkte und Preise vor. Sobald ein Rabattschild auftauchte, wurde derjenige Bereich im Gehirn besonders stark durchblutet, der Erregung und Verlangen steuert.

Interessanterweise passierte beim Bereich, der normalerweise beim Anblick eines Preises Stopp ruft und so impulsives Verhalten unter Kontrolle hält, genau das Gegenteil. Laut Björn Held wirkt in Preis im Gehirn wie ein Schmerz. Wir wollen unter anderem sparen, um Schmerz zu vermeiden. Und auch, um uns zu belohnen: Je stärker der Reiz, je leuchtender das Rabattschildchen, je attraktiver die Aktion, desto mehr. Und so werden wir uns ihnen in den kommenden Wochen wieder hingeben, den Verlockungen des Ausverkaufs. Und am Ende vermutlich ein wenig glücklicher sein


D. Jeitziner (14.06.2015), Sonntagszeitung

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